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Atomenergie, Barack, Barack Obama, iran, Obama, Rohani, USA
Die hohe Politik hat weniger etwas mit inhaltlichem Koennen als mit der politischen Rhetorik zu tun. Der Iran ist dafuer ein ebenso beredetes Beispiel wie beispielsweise Syrien im Jahre 2013. War das Perserreich bis 1979 ein enger Freund der westlichen Welt und in der U.S.-amerikanischen Middle East-Politik neben Saudi Arabien einer von zwei Pfeilern, so fiel es nach dem Sturz des High Society Klatschspalten-Shar Reza Pelavi unten durch. Die Mullahs, die das Ruder uebernahmen und im Volk Anklang fanden – sie fanden ihn im Westen nicht. Zu sehr wirkte das theokratische Regime westlich fremd und grenzte sich auch viel zu stark von der Washingtoner Politik ab. Man koennte fast meinen, die Geiselnahme in der Teheraner U.S.-Botschaft war ein willkommener Anlass, um die Beziehungen zu kappen. Das George Bush die Mullahs 2002 in die Kategorie “Axis of evils” aufnahm, war deshalb nur noch der Schlusspunkt einer Politik des Unverstaendnisses, die im Westen vorherrschte.
Uebersehen haben die Fuehrungspersonen in den Hauptstaedten des Westens, dass im Iran – nach Israel – das wohl demokratischste Regime aller Staaten der Region herrschte. Sie war nicht perfekt. Aber sie weit effizienter, als ihr manche nachsagen wollten, denn trotz aller regimeeigenen Beschraenkungen waren die Wahlen durchaus frei, wie die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stifung immer mal wieder bestaetigte.
Von Ahmedineschad zu Hassan Rouhani
Mahmoud Ahmedineschad gab in diesem Spiel die perfekte Feindfigur ab. Als Vertreter der armen Haendlerschichten des Landes gewaehlt, nachdem die Reformbemuehungen seines Vorgaengers Khatami missachtet worden waren, schlug er radikale Toene an: das Existenzrecht Israels wurde nicht gross gewuerdigt und der Holocaust geleugnet. Teilweise basierten die Vorbehalte auf falsche Uebersetzungen, die auch nicht nach Bekanntwerden berichtigt wurden. Aber insgesamt gab Ahmdineschad den grimmigen Paria, der sich auch offen gegen die westliche Lebenskultur stellt und schamlos Wahlen faelschte.
Im Fruehjahr kam mit Hassan Rouhani erneut ein Geistlicher ins Amt des Praesidenten, der noch Ayatollah Khomenie folgte und auf eine lange Karriere innerhalb der Klerikerstandes zurueck blicken kann. Rouhani ist Vertreter eines Standes, der sich in den letzten Jahren immer staerker von den radikalen Vorstellungen geloest hatte, und nach den duesteren Jahren Ahmedineschads ein neues Verhaeltnis zu den Nachbarn in der Region wie auch zum Westen anstrebte.
Das Atomprogramm – der vordergruendige Streit des Anstosses – war jedoch in der iranischen Politik von keinem strittig. Obwohl ein oelfoerdernder Staat leidet das Land an Energieknappheit und wird seit Jahren von einer Wirtschaftskrise erschuettert. Ein Grund sind zwar auch die bestehenden Sanktionen. Aber eben auch eine immer drastischere Energieknappheit. Das Land braucht deshalb die Atomenergie, um den immensen Bedarf decken zu koennen. Dabei war ein Atomwaffenprogramm zu keiner Zeit Diskussionsgegenstand.
(Interview Rohani im Wahlkampf zum iranischen Nuclearprogramm)
Oeffnung des Westens
Es war eine kleine Sensation als bekannt wurde, dass der U.S.-Praesident am Rande der UN-Vollversammlung mit Rohani gesprochen hatte. Aus dem Paria wird ein Gespraechspartner und so waren auch die Reaktionen an vielen Stellschrauben der U.S.-amerikanischen Politik. In Europa herrschte Panik, dass das einzige Feld der Zusammenarbeit mit den USA zusammen bricht. Und Israel und Saudi Arabien fuerchten um ihre privilegierte Stellung.
Es war das erste Mal seit ueber 30 Jahren, dass direkte Gespraeche stattgefunden haben. Noch unter George W. Bush waren Plaene ausgearbeitet worden, wie man das Atomprogramm des Perserstaates vernichten koenne und Israel hatte immer ueber einen Alleingang nachgedacht.
Obama hat mit seinem neuen Kurs angedeutet, dass die harte Haltung der Vergangenheit auch revidieren kann und sollte. Der vordergruendige Streit des Anstosses war seit rund 10 Jahren das Atomprogramm. Immer wieder war der Vorwurf erhoben worden, der Iran wuerde Atomwaffen entwickeln und Atomenergie nicht nur friedlich nutzen. Einen wirklich Beweis gab es nie.
Dies scheint sich jetzt fuer den Praesidenten in Washington ein wenig anders darzustellen. Denn die Gespraeche mit dem Iran sollen offener und ohne weitere Vorbedingungen weiter gehen und hier geht es zentral um die Verbesserung der bilateralen Beziehungen (oder besser den Neuaufbau) zwischen den USA und dem Iran. Obama aeusserte dann auch in einer Erklaerung
I do believe that there is a basis for a resolution. Iran’s Supreme Leader has issued a fatwa against the development of nuclear weapons. President Rouhani has indicated that Iran will never develop nuclear weapons. I have made clear that we respect the right of the Iranian people to access peaceful nuclear energy in the context of Iran meeting its obligations. So the test will be meaningful, transparent, and verifiable actions, which can also bring relief from the comprehensive international sanctions that are currently in place.
Rohani fiel die Fatwa leicht, wollte er doch nie Atomwaffen produzieren und hat vor allem darauf geachtet, dass Iran Atomenergie zur Energieversorgung nutzen konnte. Er – wie auch bereits sein Vorgaenger – hatte dies lange vorher betont. Es war daher eher ein Schritt der USA, der weiter ging und die Fatwa lediglich zur Gesichtswahrung nutzte.
Obama loesst somit eine seiner Zusagen aus seiner ersten Wahl 2008 ein: die Beziehungen zu den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens zu verbessern. Was er im Mittelmeer-Raum vernachlaessigte, erfolgt nun oestlich des Persischen Golfes. Obama schleift die Burgen, die es noch einzureisen gilt.
Netanyahu’s Angst vor dem Verlust des Feindbildes
Von besonderem Interesse ist in dieser Frage die Reaktion Israels. Benjamin Netanjahu hatte einen Angriff auf den Iran in den vergangenen Jahren immer forciert und bewusst eine falsche Uebersetzung der Aeusserungen von Rohanis Vorgaenger missbraucht. In einem Interview machte er auch jetzt wieder deutlich, dass er nicht die richtigen Zeichen verstanden hatte – oder verstehen wollte:
Iran directly threatens the annihilation of the state of Israel. They talk about it openly, they’re trying to develop nuclear weapons to wipe us off the map, but they’re not.
Fuer den israelischen Premier ist diese Entwicklung gefaehrlich, da es ihn hindern wuerde die inneren Schwierigkeiten in die aeusseren Beziehungen abzuleiten. Der Iran, auch wegen der Aeusserungen seines frueheren Praesidenten insbesondere zum Holocaust, war immer als Feindbild gut. Auch wenn der Militaerschlag aus eigenen Kraeften ausgeschlossen war, so war die Debatte darum immer hilfreich. Sie lenkte, auch weil das Thema in Israel selbst umstritten war, ab von anderen Problemen, die innenpolitisch begruendet sind.
Fuer die Regierung in Tel Aviv kam deshalb der Kurzwechsel in Washington viel zu frueh. Sie war sich der Unterstuetzung durch Obama nie wirklich sicher und muss nun feststellen, dass einer der zentralen Truempfe ihr aus der Hand genommen wird. Es geht hierbei jedoch nicht lediglich um den Iran, sondern um die privilegierte Stellung, die Israel bei den USA generell geniesst.