Schon seit längerem wird darüber gerätselt, wie es weitergeht am Himmel über den USA. Mit Ausnahme von American Airlines waren alle Fluggesellschaften der big five in den vergangenen Jahren in Insolvenzverfahren abgerutscht – und konnten sich wieder daraus befreien. Im vergangenen Jahr noch wollte U.S. Airways – ebenfalls dem Insolventverfahren entkommen – Delta Airlines schlucken und Ende des vergangenen Jahres wurden Gespräche zwischen Delta und United bekannt. Fest steht derzeit nur eines: die Auswirkungen der Konsolidierung des U.S.-Marktes werden nicht nur dort zu spüren sein. Zu stark sind die Interdependenzen in den globalen Alliances, die zwischenzeitlich für alle großen Fluggesellschaften einen erheblichen strategischen und ökonomischen Wert besitzen.
Fusionen in den USA sind nach dem Urteil der meisten Branchenkenner unumgänglich. Trotz hoher Auslastung, steigender Nachfrage und wachsender Produktivität bleibt der Durchbruch zu nachhaltigen Gewinnen aus. Hauptgrund sei die fehlende Preismacht angesichts hoher Energiekosten und einer gewerkschaftlich effektiv organisierten Mitarbeiterschaft, so Neidls Analyse. Größere Einheiten könnten höhere Preise durchsetzen und gleichzeitig ihre Kosten durch Stellenabbau und bessere Einkaufspreise senken.
Nach dem Abschluss des Open-Skies-Abkommens zur Liberalisierung des Flugverkehrs zwischen den USA und Europa gilt die Nordatlantikroute als entscheidender Kernmarkt der nächsten Jahre für die internationalen Fluglinien. Die kapitalmäßige Verknüpfung innerhalb der Vermarktungsallianzen wird umso wichtiger, als US-Gesetze komplette transatlantische Fusionen von vornherein unterbinden: Ausländer dürfen maximal 49 Prozent des Kapitals und 25 Prozent der Stimmrechte an amerikanischen Fluglinien besitzen.

Tendenzen des Zusammenschlusses
Nun zeichnen sich die ersten Tendenzen ab, wie der Markt sich entwickeln könnte. Offenbar waren die Ergebnisse zwischen Delta und United weniger erfolgreich als die von Delta mit Northwest. Dahinter steckt offenbar die grösste europäische Airline Air France / KLM, die einen Wechsel ihres Partners Delta zur Star Alliance verhindern möchte. Trotz aller Zweifel wäre ein solcher wohl unausweichlich gewesen, da StarAlliance mit 19 Mitgliedern auf allen fünf Kontinenten zwischenzeitliche eine unerreichte Dichte aufweist. Ein Ausscheiden von United würde somit wohl die Gewinne aus dem Zusammenschluss die Verluste an Marktchancen durch den Verbund wieder aufbrauchen. Noch ist SkyTeam mit seinen elf Mitgliedern sehr eurozentristisch orientiert und besitzt im Gegensatz zur StarAlliance mit Delta und AirFrance / KLM nur zwei wirklich Global Player in der Luftfahrt.
Allerdings ist auch United nach den gescheiterten Gesprächen nicht untätig geblieben und hat mit derpikanterweise ebenfalls dem SkyTeam angehörenden Continental Airlines Verhandlungen über einen Zusammenschluss aufgenommen. Für das Bündnis StarAlliance wäre dieser Zusammenschluss von einem ähnlichen Wert wie der von United und Delta. Sowohl Delta wie Continental sind gerade auf dem mittel- und südamerikanischen Markt stark präsent, wo es den United-Partnern nach dem Zusammenbruch von Varig an einem tatsächlichen Netz fehlt. Gerade Lufthansa, die bereits einmal in den canadischen Markt bei Zusammenschluss von Air Canada und Canadian Airlines eingegriffen hat, hat an dem Ausbau dieses Zukunftsmarktes aus europäischer Sicht eines der stärksten Interessen. Auch wenn Lufthansa sich offiziell heraushält, arbeitet es im Hintergrund sehr intensiv an einer Bereinigung des U.S.-Marktes und dabei vor allem am Ausbau der Stellung seines Bündnisses. Der Verlust von United wäre trotz der Teilerwerbs von JetBlue und der weiterhin bestehenden Zusammenarbeit mit U.S. Airways ein herber Verlust und den gilt es zu verhindern.
Einzig American Airlines und die in ihrem Flugwind schwebende one world sind bislang auffällig ruhig (unruhig) geblieben. Zwar führt auch die größte Airline der Welt im Hintergrund Gespräche – unter anderem mit Continental. Eine wirkliche Präferenz ist bislang jedoch nicht bekannt geworden.

Der Faktor Präsidentschaftswahlen
Die Gespräche sollen nun nach rasch zu Ende geführt werden und im Hintergrund steht auch hier die Präsidentschaftswahlen im November 2008. Egal wer mit wem zusammengeht, alle Fusionen sind bereits aufgrund ihrer Größe bei den Kartellbehörden genehmigungspflichtig. Und niemand kann wirklich voraussagen, wie sich eine neue Regierung verhalten wird, während die amtierende einer Fusion durchaus offen gegenüber steht. Fusionen bringen meist auch Verluste an Arbeitsplätze mit sich. Zwar sind die Democrats traditionell eher arbeitnehmerfreundlich, aber auch John McCain hatte sich bislang nicht zu dem Thema geäußert. Und das die Arbeitnehmervertreter nicht unkritisch herangehen, zeigen die Verhandlungen von Delta und Northwest mit den Gewerkschaften:

Securing support of pilots and other workers would be a crucial victory for the carriers’ executives, who are mindful that any deal would face stiffer opposition in Washington without endorsements from key employee groups.

(ft.com 16.2.2008)

Die Konsolidierung wird jedoch auch zu einer Marktbereinigung im Streckennetz und Hub-System und möglicher Weise zu steigenden Preisen führen. Einer abtrenden Regierung Bush jun. können die Folgen nicht mehr schaden. Einer gerade angetretenen Regierung würden sie das Leben jedoch unnötig erschweren und deshalb könnte trotz der Notwendigkeit der Marktbereinigung eine Prüfung jedoch intensiver ausfallen.
Deshalb sind noch vor der Sommerpause Entscheidungen zu erwarten.

Lesehinweis
Dean Faust, Survival of the Biggest, SPON international 15.2.2008
A normal industry?, The Economist 14.2.2008